Rodolphe Jean
Mit den fünf Sinnen
Article number 10124640
Gesicht, Gefühl, Gehör, Geschmack, Geruch. Ein erotisches Bilderbuch. Einleitung: Der Mensch lebt nicht von Brot allein, auch Kuchen läßt er sich gut schmecken. Mit dem Geruchssinn stellt er zwar fest, ob seine Nahrung eßbar ist oder nicht, riecht zuweilen aber auch an einer Rose, die ihm keinerlei Nutzen bringt. Seine Ohren warnen vor drohender Gefahr, sind jedoch auch für Musik empfänglich, und um den Tastsinn und das Gesicht ist es nicht anders bestellt: sie erfüllen über ihre Pflicht hinaus noch manche Aufgabe, die nur dem Lustempfinden dient. So entstand die Qual der Wahl, von der Buridan berichtet, daß ein Esel zwischen zwei Bündeln Hafer so lange zögern kann, bis er vor Hunger zugrunde geht. Not kennt kein Gebot. Überfluß dagegen stürzt auch den Menschen in ganz arge Nöte, wofür Adam und Eva ein treffendes Beispiel abgeben. Es wäre ihnen sicherlich der Apfel verziehen worden, wenn nicht so viel anderes Fallobst im Paradies herumgelegen hätte. Sie wurden für ihre Sinnlichkeit bestraft, wie ein jeder weiß, und da wir nun wissen, daß Adam einen Geschmackssinn hatte, nehmen wir an, daß auch seine übrigen vier Sinne gesund und leistungsfähig waren. Als taubstummer Blinder und an allen Gliedern gelähmt, hätte er kaum jene Voraussetzungen erfüllt, die zum gründlichen Vollzug der Erbsünde immerhin nötig sind. Die Generationen nach Adam haben das Sündigen verfeinert und zu einer beachtlichen Blüte gebracht, indem sie die Erotik erfanden. Sie ist ein Versuch, das verpfuschte Paradies wiederzugewinnen und, den Sinnen wieder die Aufgabe zuzuteilen, nur Lust zu spenden. Erotik verhält sich zur gemeinen Sünde wie „homard à l’armoricaine“ zum trockenen Brot: beide sind eßbar, mit dem Unterschied, daß der Hummer nur auf feinem Porzellan, womöglich bei Tafelmusik und Kerzenlicht zu genießen ist, was bei trockenem Brot wohl niemandem einfallen wird. Der Feinschmecker versucht den Bereich des Geschmackssinns auf seine ganze Umgebung auszudehnen, und Brillat-Savarin hat es sogar für nötig erachtet, seine „Physiologie des Geschmacks“ zu begründen. Ebenso unterordnet der Erotiker den ganzen Bereich seiner fünf Sinne dem sexuellen Genuß. Er wird versuchen, diesen Bereich zu vertiefen und zu bereichern, raffinierte Versteckspiele erfinden und sich sogar in Widersprüche verwickeln, wo er sich einen Stachel davon verspricht. Es ist vielfach vom Reiz des Verbotenen die Rede, und die Erfahrung zeigt, daß Tabus sich in jenen Bereichen besonders häufen, die mit Sinneindruckgeladen sind. Man denke an die christlichen Fasttage, an das Verbot vom Schweinefleisch bei Juden und Mohammedanern. Hindus sind überhaupt Vegetarier und bei primitiven Völkern sind Verbote auf dem Gebiete der Nahrung sehr verbreitet. Mit dem Geschlechtlichen verhält es sich nicht anders. Noch immer schmecken die Kirschen in Nachbars Garten am besten und das Decolleté setzt immer einen „col“ oder Kragen voraus. Einem feinen Beobachter der Menschheit ist es einmal, als er in der überfüllten Straßenbahn vom Strandbad zurückfuhr, aufgefallen, daß alle Blicke auf die hübschen Beine einer jungen Person gerichtet waren, die ein Windstoß für einige Augenblicke enthüllte. Noch eine Stunde früher, als sie im Bikini am Strand stolzierte, wäre es niemandem eingefallen, mit Aufmerksamkeit ihre Beine zu betrachten, allenfalls hätte die Entblößung der Brustnospitze diesen Effekt gezeigt. Der Gedanke liegt nahe, die Erfindung der Prüderie einem überaus raffinierten Phäaken in die Schuhe zu schieben, der die Kleidung erfand, um das Strip-tase zu ermöglichen ... Ähnliche Tendenzen sieht man in der Mode, und es ist die Frage wie beim Huhn und dem Ei, was früher da war: die Lust zu enthüllen oder das Verhüllen der Lust ... Homo Eroticus, jenes Tier, welches das ganze Jahr hindurch in Brunftzeit lebt, wird durch Homo Pudens, der den Arbeitsdrill erfunden hat, aufs beste ergänzt. Es bedurfte eines Genies von Freuds Format, um das sexuelle Fundament menschlichen Gehabens offen darzulegen, was umso schwieriger war, als es ja selbstverständlich ist. Freuds Theorien rächen sich allerdings an sich selbst, seit seine Lehre nach bekannten Mustern von den Universitäten „verdrängt“ wird. Wir schätzen die feine Ironie und halten es vorläufig für erwiesen, daß alle fünf Sinne dem Sex dienstbar gemacht werden können. Es wird, je nachdem, ob der Betreffende optisch, akustisch, motorisch oder vielleicht olfaktorisch eingestellt ist, jener Sinn dominieren, der bei ihm am stärksten ausgeprägt ist. Naturgemäß ergibt sich eine Gliederung, wobei dem Gesicht und dem Tastsinn eine Vorrangstellung eingeräumt werden muß. Die Freuden des Landlebens Galanter Kupferstich um 1750
Condition
Used - Good
Language
German
Article type
Book - Hardcover
Year
1968
Publisher
Hanau
pp. 568 / illustrated
